Bericht von der 5. Emder Tagung

Trotz Regen, Schnee und alledem….

Bericht von der 5. Emder Tagung des reformierten Protestantismus

Schnee empfing die Teilnehmenden der 5. Emder Tagung. Schnee im März, Schnee in Ostfriesland, aber davon ließen sich die Anreisenden nicht abschrecken. Knapp 70 Forschende und Interessierte machten sich auf den Weg in die Johannes a Lasco Bibliothek, um Vorträgen zu lauschen, selber welche zu halten, auf jeden Fall um sich auszutauschen. Denn „man“ kennt sich im Laufe der Jahre, die meisten sind bereits das zweite, dritte, ja manche sogar das 5. Mal auf der Tagung der „Gesellschaft für die Geschichte des reformierten Protestantismus“. Und so konnte der Vorsitzende, J.Marius J. Lange van Ravenswaay, am Sonntagabend, den 6. März, die Teilnehmenden und Gäste in den altehrwürdigen Räumen der ehemaligen Großen Kirche begrüßen. Leider war der Moderator des Reformierten Bundes, Peter Bukowski, erkrankt und konnte kein Grußwort sprechen. Dafür sprang der Generalsekretär des Reformierten Bundes, Hermann Schäfer, ein und überbrachte die Grüße. Er wies auf die Nähe und die engen Verbindungen der Gesellschaft zum Reformierten Bund hin und zeigte sich erfreut über die „Erfolgsgeschichte“ der Gesellschaft.

Den ersten Vortrag der Tagung hielt Dr. Isabelle Graesslé, Privatdozentin in Bern und Direktorin des Museums der Reformation in Genf, zum Thema „Neue Freiheit und Verbote. Frauen benutzen die Reformation“. Am Beispiel der Genferin Marie Dentiére legte sie dar, dass es sehr wohl Frauen gab, die gegen alle Widerstände – gerade von Theologen – die Ebenbürtigkeit von Frau und Mann mit großer Bibelkenntnis einforderten. Wirkungsgeschichtlich lassen sich aber Spuren kaum noch aufzeigen.

Beim anschließenden Imbiss gab es zahlreiche Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen oder zu intensivieren. Es gab viele gute Gespräche und wissenschaftlichen Diskurs. Sehr schön war auch, dass gleich drei Verlage die Möglichkeit der Präsentation auf der wissenschaftlichen Tagung nutzten. So war der Göttinger Verlag Vandenhoek und Ruprecht mit zwei Lektoren und einem Büchertisch anwesend, dazu der Verlag Gruch sowie der der foedus-Verlag. Die Verlagsangebote waren in den Pausen ein Publikumsmagnet und stark frequentiert.

Der Montagmorgen begann mit einer Andacht in der benachbarten Schweizer Kirche. Dr. Gesine von Kloeden-Freudenberg, Pfarrerin in Detmold, stimmte in den Tag ein mit dem Thema „Erinnern“. Den Hauptvortrag an dem Vormittag hielt Prof. Dr. Carola Jäggi aus Erlangen zum Thema: „Die Bilderfrage im Kontext des reformierten Protestantismus“. Am Beispiel Zürich zeigte sie, welche Dynamik die Bilderfrage entwickelte und von regulärer Entfernung der Bilder bis hin zum Bildersturm und –zerstörung reichte. In der anschließenden Diskussion wurde lebendig über Beispiele aus reformierten Gegenden diskutiert, in denen mittelalterliche Bilder gekälkt oder verhängt wurden.

Herzstück der Emder Tagungen sind jeweils die Kurzvorträge. Jeweils 4 Kurzvorträge von maximal 20 Minuten werden parallel gehalten, dann besteht die Möglichkeit, zu einem anderen Vortrag zu wechseln. So hat man die Möglichkeit, 4 Vorträge zu unterschiedlichen Themen und Zeiten in 2 Stunden zu hören. Die erste Gruppe umfaßte das 16. und 17. Jahrhundert, die zweite Gruppe das 17. und 18. Jahrhundert, Gruppe 3 das 18 bis 20. Jahrhundert und die 4. Gruppe das 20. und 21. Jahrhundert. Leider waren drei Referierende von Kurzreferaten durch Krankheit oder kurzfristige Termine ausgefallen, somit waren die Gruppen diesmal etwas größer.

Am Nachmittag machte sich die Gesellschaft nach Weener zum Besuch des dortigen Organeums auf, einer Akademie für die größte historische Orgellandschaft. Winfried Dahlke, Leiter des Organeums, führte die Gruppe und gab zum Abschluss in der Georgskirche an der Arp-Schnittger-Orgel noch ein Konzert.

Um 20 Uhr traf man sich wieder in der Bibliothek zur Verleihung des J.F.Gerhard Goeters-Preises, den die Gesellschaft alle 2 Jahre für eine hervorragende deutschsprachige Dissertation oder Habilitation zu einem Thema der Geschichte des reformierten Protestantismus vergibt. Ausgezeichnet wurde diesmal mit dem mit 1500,- € dotierten Preis der Züricher Kirchenhistoriker Dr. Peter Opitz für seine 2004 angenommene Habilitationsschrift: „Heinrich Bullinger als Theologe. Eine Studie zu den Dekaden“, Zürich 2004 . Der Buchtitel der Arbeit zeigt an, dass hier versucht wurde, Bullingers Theologie in ihrem Zusammenhang zu erschließen, ein Unternehmen, das bisher nur sehr wenige, im Blick auf Bullingers theologisches Hauptwerk, die Dekaden, im Grunde überhaupt keine Vorläufer hat.

In seiner Dankesrede, in der Opitz auf gegen Bullinger erhobene Anwürfe (er sei praktischer Theologe, er stehe an der Grenze zur Orthodoxie, er vertrete eine Bundestheologie) einging, lud er ein „mit Bullinger ins Gespräch zu kommen, und zunächst ganz simpel: ihn beim Namen zu nennen. Dazu einzuladen ist nicht das geringste Ziel der hier vorgestellten Studie, denn damit würde man auch Bullingers historischer Bedeutung für den weltweiten reformierten Protestantismus besser gerecht als bis anhin.“

In einem kurzen Grußwort machte der Kirchenpräsident Jann Schmidt von der Evangelisch-reformierten Kirche in Leer deutlich, wie bedeutend eine Profilierung von christlichem Glauben und auch reformierter Tradition ist. „Wenn es um Fragen von Taufe, Abendmahl, Amt oder Ordination, Gemeindeaufbau und Gemeindeleitung oder um ethische Fragestellungen geht, dann stellt sich heraus, dass die Kenntnisse des protestantischen, des evangelischen Verständnisses eher verschwommen sind – und das in Kirchen, die das Priestertum aller Gläubigen zu ihren wichtigsten Einsichten zählt“. Daher seien die Emder Tagungen wichtige Treffen, um Tradition und Gegenwart miteinander ins Gespräch zu bringen.

Anschließend gab es einen Empfang mit einem wunderbaren Büffet. In den Jahren vorher hatten sich verschiedene Landeskirchen generös gezeigt, diesmal wurde der Abend gesponsert von einer Bank und einem Verlag. Der Abend wurde musikalisch von dem Saxophon-Quartett „Reihe 13“ aus dem Landkreis Leer gestaltet, mal mit klassischen Stücken, mal mit modernen, die sich wunderbar in die Bibliothek einpassten.

Der Dienstag begann mit einer Andacht, die Pfarrerin Martina Reister-Ulrichs aus Karlsruhe hielt. Anschließend sprach Prof. Dr. Herman Selderhuis aus Apeldoorn zum Thema: „Calvinisten sind die besten Lutheraner. Die Heidelberger Theologie im Lichte des Augsburger Religionsfriedens“. Darin zeigte er auf, wie stark die Heidelberger Streitigkeiten in den Jahren 1586 bis 1622 um Erwählung und Verwerfung die Theologen entzweiten.

Den letzten Vortrag der Tagung hielt Prof. Dr. Gerard den Hertog, der ebenfalls aus Apeldoorn kam, zu dem Thema: „Die Bedeutung und Relevanz des ethischen Ansatzes des Heidelberger Katechismus für die heutige ethische Diskussion“.

Am Ende der Tagung bedankte sich noch einmal der Vorsitzende der Gesellschaft bei allen, die zum Gelingen der Tagung beigetragen haben, den helfenden Hände in der Bibliothek, den Referierenden und Teilnehmenden für die gute und angenehme Arbeitsatmosphäre.

Die Vorträge der Tagung werden wieder in der Reihe „Emder Beiträge zum reformierten Protestantismus“ im foedus-Verlag erscheinen. Und im Jahr 2007 wird es dann hoffentlich wieder eine Tagung geben, dann bereits die sechste.

Fazit: … es war ne schöne Märzenzeit…

 

 


Christian Züchner